Freitag, 23. Oktober 2009

Der Mordfall Heike Rimbach

23. Oktober 2009, Köln




Doku-Reihe MK Rimbach, Deutschland 2002
Wortlaut des Polizeifilms über den Mord an Heike Rimbach (19), Endfassung


Reinhard Fallak:
Guten Abend, meine Damen und Herren, herzlich willkommen zu "Ungeklärte Morde, dem Täter auf der Spur". Mein Name ist Reinhard Fallak, ich bin Kriminalbeamter aus Hamburg und heute abend wieder für Sie da. Jetzt zu einem besonders mysteriösen Mordfall, der seit Jahren meine Kollegen der Kripo Halberstadt beschäftigt: Ein junges Mädchen, Heike Rimbach, wurde bestialisch ermordet aufgefunden. Und ein ganzes Dorf schweigt.

Sprecher:
Sachsen-Anhalt, Lüttgenrode. Tatort: Amt 93. Ein kleines Dorf in der Nähe der ehemaligen Zonengrenze, Lüttgenrode. Am Vormittag des 29. August 1995 wird Heike Rimbach hier ermordet aufgefunden. Das Verbrechen ist für die Polizei bis heute rätselhaft und für Heikes Mutter nach wie vor unfaßbar.

Frau Rimbach, Heikes Mutter:
Der letzte Abend, also der war eigentlich, es war eigentlich ein schöner Abend, find' ich. Die Jungs waren noch draußen, der Rainer war noch mit dem Rad unterwegs und so, und die Heike, die saß bei uns im Wohnzimmer, und da haben wir ein bißchen gequatscht und gemacht, und da wollte sie mal schnell in den Ort zum Telefonieren, und da frug sie denn, ob sie das Auto nehmen kann, und da ist sie dann auch losgefahren, kam aber kurz danach gleich wieder, war doch kein Ding, saß dann im Wohnzimmer mit uns wieder eine ganze Weile noch, bis die Jungs dann eben kamen, und dann mit ihrem Kater getobt und gespielt, und dann ist sie eigentlich dann auch mit den Jungs nach oben gegangen und haben sie dann auch eben Fernsehen geguckt. Also ganz normal. Da war nichts verändert, da war gar nichts, ja, jedenfalls auch an ihr nicht. Also es war ein ganz normaler Abend.

Sprecher:
Die neunzehnjährige Heike ist Auszubildende in einer Fleischerei. Am nächsten Tag hat sie frei.

Frau Rimbach:
Und da ging ich dann hoch, und da stand die Zimmertür offen, und da lag ihr Geldbeutel auf dem Tisch, mit allem raus. Da lag ihre Jacke auf dem Sessel. Die hatte so 'nen, wenn man reinkommt, rechts so einen Sessel, und da lag diese Jacke, die lag aber nicht da. Deswegen waren wir der Meinung, naja, sie ist ja vielleicht doch irgend wohin.

Sprecher:
Als ihre Mutter am Montagabend von der Arbeit nach Hause kommt, ist Heike nirgendwo zu finden.

Frau Rimbach:
Deswegen waren wir immer eigentlich der Meinung, sie war entweder nach Dessau hochgefahren zu ihrem neuen Freund oder daß sie eben in Harzburg mit jemand von der Clique war. Bis zum nächsten Früh, wo sie dann immer noch nicht da war. Und da ging mir dann so leicht das Nackenhaar hoch. Und da hab ich dann gleich gedacht: Hier stimmt was nicht. Ich sagte: Das paßt nicht, das ist nicht ihre Art. Dann hätte sie uns irgendwo einen Zettel oder was ... Ich sagte: Das haut nicht hin.

Sprecher:
Am nächsten Morgen, am Dienstag, dem 29. August, fehlt von Heike noch immer jedes Lebenszeichen. Die beunruhigten Eltern entschließen sich, eine Vermißtenanzeige aufzugeben.

Frau Rimbach:
Dann hab ich kurz nach 7 eben die Polizei angerufen in Osterwieck und habe denen eben mitgeteilt, daß da irgendwas nicht stimmt, das ist nicht ihre Art und Weise. Und da hab ich dann ganz lapidar zur Antwort gekriegt, ich sollte mich nicht verrückt machen, sie ist 19, und da kommt sowas eben halt mal vor. Aber das war nicht ihre Art.

Sprecher:
Die Familie beginnt die Nachbarn zu befragen, und auch Rainer Baumbach, der mit Heikes Vater in der Nachbarschaft eine Baumontage betreibt.

Baumbach, Geschäftspartner des Vaters:
Und die erste Frage, die ich gestellt bekommen habe, das war von Frau Rimbach: Rainer, war denn ... Hat sich denn Heike bei dir gemeldet? Ich meine, das kann ich nicht vergessen, das ist ein Moment ... Ich sage: Nee du, warum sollte sie das? Und da sagt sie: Wir haben seit gestern Abend nichts wieder von ihr gehört, sie ist nicht da, und so weiter, und so weiter ...

Frau Rimbach:
Da hab ich mich mit Herrn Baumbach ins Auto gesetzt, dann sind wir nach Bettingerode in ihre Firma gefahren. Hatte sich aber immer noch nicht gemeldet, und da sind wir denn ... Ja, da sind wir ... Herr Baumbach hatte einen normalen Termin beim Arzt, aber da war's zu voll. Und da sind wir nochmal zu ihm nach Hause gefahren, und ich habe im Wohnzimmer - er wollte noch was erledigen - ich hab im Wohnzimmer gewartet. Auf einmal klingelte das Telefon.

Baumbach:
Ja, und ich sollte ans Telefon kommen, weil mein Schwiegersohn anrief, wollte mich sprechen. Jetzt hat der natürlich gedacht, wo man mich rief, ich gehe ans Telefon. Aber an meiner Stelle ist Frau Rimbach gegangen. Die war mit bei uns zu Hause, meine Frau war auch zu Hause. Auf einmal schrie sie auf. Ja, und da war es passiert. Da bin ich raus. Da hat sie nur noch geschrien: "Heike ist tot, Heike ist tot! Karl-Heinz hat sie gefunden."

Sprecher:
Eine schreckliche Ahnung wird Gewißheit. Heike ist nicht mehr am Leben. Ihr Vater Karl-Heinz Rimbach hat sie in seinem eigenen Haus tot aufgefunden. Die einzige Tochter. Das älteste von drei Kindern.

Frau Rimbach:
Da fing die Hölle an. Sie haben sie dann auf dem Dachboden erschlagen, erstochen und aufgehängt gefunden.

Baumbach:
Da sind wir natürlich sofort, meine Frau, Frau Rimbach und ich, sofort in die Wohnung gefahren von Herrn Rimbach und hab ihn vollkommen apathisch angetroffen. Er saß auf der Treppe. Es war nur noch ein zitternder Haufen. Ich muß es wirklich so sagen, er saß nur noch da, das war nur noch Flattern, total am Ende. Frau Rimbach wollte gleich vorbeilaufen an ihm, weil er sagte: "Auf dem Boden, auf dem Boden." Es kam ja kein zusammenhängender Satz mehr raus. Und die Polizei - Gott sei Dank, Gott sei Dank, sage ich heute - hat die Polizei sie verhindert, ihre Tochter so zu sehen ...

Sprecher:
Das Mädchen hing an einem Hanfstrick auf dem ehemaligen Heuboden der Scheune. Mit eingeschlagenem Schädel und entstellt durch eine Vielzahl von Messerstichen.

KK Götze, einen Pkw steuernd:
Kurz nach 9 Uhr wurden wir von der Polizeistation Osterwieck darüber verständigt, daß Schutzpolizisten, aufgrund der Information eines Vaters, auf dem Dachboden in Lüttgenrode, Amt 93, ein Mädchen tot aufgefunden haben. Die Schutzpolizei befand sich bereits vor Ort, und wir fuhren dann mit mehreren Kollegen in Richtung Lüttgenrode. Zum damaligen Zeitpunkt war es fast genau solch ein bedrückendes Wetter wie heute auch, es war relativ trüb, es nieselte leicht, und es war eigentlich ein recht unangenehmes Wetter.

Sprecher:
Gewissenhaft nehmen die Spezialisten den Tatort, das Wohnhaus der Rimbachs, unter die Lupe.

KK Götze, vor dem Rimbach-Wohnhaus Amt 93 stehend und auf die Fenster zeigend:
In Parterre befanden sich die Wohnräume der Eltern von Heike, das Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad. In der ersten Etage waren die Kinderzimmer untergebracht. Zum einen das Zimmer von Rainer, von Heike in der Mitte, und das Zimmer von Martin rechts. Zwischen den einzelnen Zimmern gab es keinerlei Verbindung, so daß jedes Zimmer über einen separaten Eingang verfügt hat.

Sprecher:
Schon bei der ersten Begehung des alten Gutshofes sind die Experten sicher: Das Tatgeschehen muß sich in mehreren Räumen zugetragen haben.

KK Götze:
Gegenüber von diesem Fenster befindet sich die eigentliche Zugangstür zum Zimmer von Heike. Von dieser Tür aus gelangt man auf einen weiteren Flur, wo dann rechtsseitig der weitere Abgang zu dem Partyraum, in dem die unterschiedlichsten Gegenstände standen bis letztlich zum Dachboden, war.

Sprecher:
Unklar ist, wie der Täter sein Opfer auf den Dachboden brachte und auf welchem Weg er nach der Tat entfloh. Die Polizei vermutet: in beiden Fällen durch das Wohnhaus. Aber wie war es möglich, daß er unerkannt entkommen konnte?

2. Sprecher:
Am frühen Morgen des 29. August 95 wird die neunzehnjährige Heike Rimbach aus Lüttgenrode in Sachsen-Anhalt brutal ermordet aufgefunden. Der eigene Vater entdeckt sie in der ehemaligen Scheune des Gutshofes, auf dem Heike mit Eltern und zwei jüngeren Brüdern wohnte. Das Mädchen hängt an einem Hanfstrick mit eingeschlagenem Schädel und grausam entstellt durch unzählige Messerstiche.

KK Götze:
Wir verschafften uns zunächst einen Überblick darüber, wie man denn auf diesen Dachboden gelangen konnte. Hierfür ergaben sich nur drei Möglichkeiten - entweder durch die Wohnungstür der Familie Rimbach. Durch einen angrenzenden Lagerraum, der eine Zugangsmöglichkeit zum Wohnhaus bot. Oder über eine Tür, hinter der sich eine Treppe befand und man auf den Dachboden kommen konnte.

Sprecher:
Was wirklich geschah, ist bis heute im Dunkeln geblieben. Anhand von Spuren versucht die Polizei, den Hergang der Tat zu rekonstruieren.

KK Götze:
Er hat zunächst möglicherweise im Zimmer von Heike die erste Auseinandersetzung mit ihr gehabt. Hier kann es sein, daß Schläge ausgetauscht worden sind zwischen beiden, daß er auf Heike eingeschlagen hat und daß sie sich unter Umständen auch gewehrt haben kann. In weiterer Folge nahm er dann den Eisenhaken, schlug auf sie ein, stellte fest, daß der erhoffte Erfolg immer noch nicht eintrat, suchte nach weiteren Tatwerkzeugen und fand als nächstes in dem Abstellraum ein Messer. Mit diesem Messer stach er dann auch sehr häufig auf Heike ein, stellte fest, daß sein Opfer zwar sehr stark verletzt war, aber für ihn muß auch klar gewesen sein, daß er seine Absicht, Heike zu töten, noch nicht vollendet hat. In weiterer Folge fand er dann ein Hanfseil vor. Mit diesem Hanfseil strangulierte er sein späteres Opfer.

Cornelia Behrendt, Profilerin LKA Sachsen-Anhalt:
Ja, die Werkzeuge, die er also im vorliegenden Fall benutzt hat, haben wir als auch Zufallswerkzeuge eingestuft, die ihm in der jeweiligen Situation gerade zur Verfügung gestanden haben, weil, wie gesagt, die Tat ursprünglich so in dem Verlauf, wie sie stattgefunden hat, seinerseits nicht geplant war, und er mußte dann natürlich sich entsprechend von ihm als geeignet eingestufte Mittel nehmen in dieser Situation und sie halt anwenden.

Sprecher:
Die Einzelheiten, die von der Polizei zusammengetragen wurden, lassen erste Schlüsse zu, aber viel mehr nicht. Was sich bis heute keiner erklären kann: Warum mußte Heike Rimbach sterben und, vor allem: warum ein so junges Mädchen auf so grauenvolle Weise?

Frau Rimbach:
Es gibt einfach keinen Grund. Es gab keinen Grund. Sie war weder in einem anderen Milieu oder was weiß ich mit Drogen oder irgend ... Nichts. Es gab keinen Grund. Und das ist für uns das Unbegreifliche. Und dann dieses verdammte Bestialische! Er hat die ja förmlich hingerichtet. Das versteh ich bis heute nicht, wie ein Mensch sowas tun kann.

Sprecher:
Heikes Familie war erst vor wenigen Wochen nach Lüttgenrode gezogen, und nun diese Katastrophe. Überall versucht die Polizei, mehr über Heike Rimbach zu erfahren. Insbesondere die gerichtsmedizinische Untersuchung soll weiterhelfen. Die Leiche wird zur Obduktion nach Magdeburg gebracht. Von den Gutachtern erhoffen sich die Kriminalbeamten weitere Informationen zum Tatablauf, die unter Umständen auch Rückschlüsse auf den Mörder zulassen.

Rüdiger Schöning, Rechtsmedizin Magdeburg:
Die Verletzungen von Heike, insbesondere auch die Kombination der doch erheblichen Schlagwirkung dann mit den Stichverletzungen des Halses, das heißt, das ist schon'n Anblick, den auch wir als Rechtsmediziner glücklicherweise relativ selten haben. Zunächst sah man aber nur bestimmte Schleifspuren, Blutspuren auch, und erst nach Lösung des Strangwerkzeuges konnte man feststellen, daß also hier zahlreiche Stichverletzungen auch 'ne Rolle spielten. Weitere Untersuchungen haben dann auch noch andere Befunde ergeben, die insgesamt todesursächlich zu werten sind. Die anderen wesentlichen Befunde waren also: Gewalteinwirkung gegen den Kopf, das heißt 'ne Schlagverletzung im Bereich des Kopfes, wahrscheinlich mit einem Haken, Metallhaken, der auch als mögliches Tatwerkzeug untersucht wurde. Hier gab's also einen Bruch des Schädeldaches, auch mit 'ner Verlagerung des Knochens nach innen, wir sagen dazu "Impressionsfraktur". Es ist nicht davon auszugehen, daß hier schon allein der Tod dadurch verursacht worden ist, aber zum mindesten 'ne Bewußtlosigkeit oder wenigstens 'ne zeitweilige Bewußtlosigkeit. Es fanden sich noch Verletzungen durch Faustschläge und auch Verletzungen, die Hinweise geben auf 'ne Gewalteinwirkung direkt gegen den Hals, auch vor der eigentlichen Strangulation.

Sprecher:
In Verdacht geraten schon bald die zwei jüngeren Brüder des Opfers. Einer berichtet angeblich an Heikes Arbeitsplatz von Details der Verletzungen, von denen nur der Täter wissen konnte. Im Schrank des anderen wird ein Hanfstrick gefunden.

KK Götze:
Da Heike die Angewohnheit hatte, ihr Zimmer bei Abwesenheit von anderen Personen und insbesondere in der Nacht zu verriegeln, wir keinerlei Aufbruchspuren in ihrem Zimmer als auch im Wohnhaus feststellen konnten, kann man davon ausgehen, daß Heike ihren späteren Täter gekannt haben muß. Sie muß zu ihm sogar eine Art Vertrauensverhältnis gehabt haben, schließlich empfing sie ihn in ihrem Zimmer im Sleepshirt und im Slip. Das ist für sie eine eigentlich nicht gewöhnliche Situation, da sie zu unbekannten Leuten eigentlich als sehr verschlossen galt und sich in diesem Aufzug auch nicht gezeigt hätte.

Sprecher:
Wann Heike starb, am Sonntagabend oder erst am Montag, ist unklar, aber von entscheidender Bedeutung. Abhängig von der Todeszeit müssen Ermittlungsergebnisse anders bewertet werden, verändert sich der Kreis der Verdächtigen.

Baumbach:
Und der wußte schon, daß die Kleine alleine war. Und das kann nur jemand wissen, der entweder mit ihr Umgang hatte, sie kannte, sonst wüßte ich da nicht. Das war kein Zufall.

Sprecher:
Obwohl die Polizei nicht lockerläßt, reicht es nicht zu einer Überführung der in Verdacht geratenen Personen, auch nicht der beiden Brüder.

KK Götze:
Nach der Tat muß Heikes Mörder nochmals in ihr Kinderzimmer gegangen sein. Hier befanden sich auf dem Teppichboden Blutspuren. Der Täter hat versucht, diese Blutspuren oberflächlich zu beseitigen, was ihm nicht vollends gelang. Seine Absicht bestand vermutlich darin, später eintreffende Familienmitglieder von der von ihm begangenen Tat abzulenken.

Sprecher:
Alle Indizien weisen darauf hin: Der Mörder kannte Heike und ihr Umfeld gut, sehr gut sogar.

Frau Rimbach:
Es konnte keiner wissen, daß Heike am Montag frei hatte. Weil, bei ihr änderte sich der freie Tag in jedem Lehrjahr. Sie war im dritten Lehrjahr, und dadurch hatte sich das ... Das wußten nur ganz wenige.

Sprecher:
Schritt für Schritt werden die Nachforschungen ausgedehnt. Erst auf den gesamten Ort, dann bis nach Bettingerode. Hier ermittelt die Polizei an Heikes Arbeitsplatz. Sie befragt Kollegen und den Chef der Schlachterei, in der Heike zwei Jahre lang ihre Lehre machte.

Harald Leiste, Arbeitgeber von Heike Rimbach:
Ja, ich erinnere mich noch lebhaft daran, daß Heike morgens nicht zur Arbeit kam und wir diese Situation als völlig ungewöhnlich empfanden. Das gibt es zwar schon mal, daß jemand nicht zur Arbeit kommt und anschließend anruft und so, aber bei Heike war das schon so, das kannte man nicht. Heike kam auch, wenn sie Fieber hatte, Heike kam auch, wenn's ihr schlecht ging. Da kann ich mich gut dran erinnern. Irgendwann um 9, ich weiß jetzt nicht mehr, wer es war, sagte irgendjemand: "Stellt euch vor, Heike ist tot". Heike ist tot. Das muß man sich mal vorstellen. Ein junges Mädchen, 19 Jahre, Lehrmädchen. Die Liebenswürdigkeit und Zuverlässigkeit in Person. Und ist tot. Und dann kam noch dazu, daß wir so nach und nach erfahren haben, wie sie gestorben ist.

Sprecher:
Bei Mitarbeitern und Vorgesetzten war Heike überaus beliebt. Auch ihre berufliche Zukunft in der Schlachterei schien gesichert.

Leiste:
Ich hab sie mal gefragt, ob sie sich vorstellen könnte, nach ihrer Lehre weiter bei uns zu arbeiten, und das wollten wir eigentlich so machen. War so abgeschlossen. Aber da ist es leider nicht zu gekommen.

Sprecher:
Das Motiv für diese derart brutale Tat gibt den Fahndern Rätsel auf.

KK Götze:
Unter ihren Kollegen, Bekannten, Freunden als auch im Verwandtschaftskreis war sie ein beliebtes Mädchen. Sie war offen, war zugänglich, hatte jedoch es nicht verstanden, in ihrem neuen Dorf engere Kontakte zu pflegen, so daß sie sich nach wie vor hauptsächlich in den Bereichen Goslar mit ihren alten Schulfreunden und neu hinzugewonnenen Freunden aufhielt.

Sprecher:
Heike Rimbach wurde in Goslar geboren und ging dort zur Schule, bevor die Familie nach Sachsen-Anhalt zog. Sie war scheu und zurückhaltend.Hatte das freundliche Mädchen Probleme, von denen niemand etwas wußte? Ist der Täter doch in privaten Bereichen zu suchen?

Baumbach:
Heike ist mit meiner Tochter zusammen großgeworden. Die Kinder ... Überhaupt, ich habe zwei Kinder, Familie Rimbach hatte drei. Die Jungs sind im Alter von meinem Sohn, und die Heike ist genauso alt wie meine Tochter. Die gingen also zusammen zur Schule. Wir sind so gute Freunde, daß die Kinder heute noch zu mir Onkel und Tante zu meiner Frau sagen, und ebenfalls das gleiche umgedreht, meine Kinder sagen auch Onkel und Tante zur Familie Rimbach. Das ist mehr eine Herzlichkeit und Freundschaft, die mit dem Betrieb an sich nichts zu tun hat. Wir waren auch solche Partner, wir haben uns unheimlich im Betrieb gestreßt, richtig gestreßt, richtig gekascht, aber vor'm Tor, wenn wir abends zusammen das Tor zugeschlossen haben, war er Kalle, und ich war Rainer.

Sprecher:
Mit Rainer Baumbach zusammen hatte der Vater von Heike in Lüttgenrode einen Baumontagebetrieb. Mit Heikes Tod ist auch das gemeinsame Geschäft zusammengebrochen.

2. Sprecher:
Die Ermittler nehmen Firma und Gelände genau unter die Lupe und stoßen bei ihren Nachforschungen auf mysteriöse Vorfälle in der Zeit vor Heikes Tod.

Baumbach:
Wir haben Maschinenschäden jeden Tag melden müssen bei der Kriminalpolizei. Wir mußten Diebstähle melden bei der Kriminalpolizei, bis es dann zu diesem Mordgeschehen kam.

Pause.

Baumbach:
Was soll ich dazu noch sagen? Das war der erste Mord, der passiert war in unserer neuen Firma. Da wurde ein Kollege von uns erhängt ...

Sprecher:
Auch dieser Fall ist bei der Polizei bekannt. Dort allerdings geht man von einem Selbstmord aus. An einen Selbstmord wollen Rainer Baumbach und die Rimbachs bis heute nicht glauben.

Frau Rimbach:
Unser Alfred, das war jemand ... Der war soweit ein ganz lieber Kerl. Der war 33 und war aber Analphabet. Und das wußte aber keiner, das haben wir erst rausgefunden. Er war aber ein ganz lieber Kerl. Also wirklich, der hat das letzte gegeben, hat aber selbst kaum was gehabt. Also in diesem Früh sind wir dann auch gekommen, aber unser Alfred ... Der wohnte da in so einem kleinen Bungalow, den hatten wir ihm zurecht gemacht und fühlte sich da auch sauwohl, und kümmerte sich so ein bißchen um den Hof. Und diesen Früh, da sind wir auf den Hof gekommen. Das Radio bis hinten aufgedreht und die Tore schon offen. Und diesen Früh war nix. Und da sind wir rein, und da haben wir erst Kaffee getrunken, und dann haben wir ein bißchen besprochen, was den Tag über gemacht wird, und da sagt Herr Baumbach: "Wo bleibt denn der Alfred heute?" Und da ist einer unserer Mitarbeiter, das war der Schwiegersohn damals von Herrn Baumbach, ist dann raus, und da gabs draußen in der Halle einen Riesenschrei. Wir hoch wie die Verrückten, Herr Baumbach stand in der Halle, sind mein Mann und ich nach vorne gelaufen, und da hatten wir so 'ne kleinere Hebebühne, so 'ne Drehbank war das, und da hang der dran, in Unterhosen. Werd' ich mein Leben nicht vergessen. Den Kopf leicht nach links geneigt, hang der da.

Sprecher:
Nach Ansicht der Polizei besteht kein Zusammenhang zwischen diesem Geschehen und dem Mord an Heike. Dennoch: Ein merkwürdiger Zufall.

Baumbach:
Auf jeden Fall ist das ist nicht der gleiche Täter, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Weil der Betrieb mit Heike überhaupt nichts zu tun hatte. Heike war in ihrem Leben ganz, ganz wenig bei uns im Betrieb, das heißt, wenn sie mal frei hatte, war sie mal ganz kurz da, auch meine Kinder waren sehr, sehr wenig in der Firma. Und wenn ich die erste Tat noch mal so Revue passieren lasse - es ist ja so gewesen, daß der Mann erhangen wurde oder sich erhangen hat, und danach kamen die Folgetaten, Einbruchsdiebstähle und so weiter, und so weiter, und ich kann mir nicht vorstellen, daß der gleiche Täter das Mädchen umbringt - da sehe ich mehr eine Beziehungstat.

Sprecher:
Da die genaue Tatzeit des Mordes an Heike Rimbach nicht bekannt ist, kann keiner der Verdächtigen bis heute wirklich ausgeschlossen werden. Weder Kollegen und Bekannte noch Freund und Ex-Freund, nicht einmal die eigene Familie.

Helmut Windweh, Staatsanwaltschaft Halberstadt:
Wenn ich mich richtig erinnere, ist nicht nur der engste Familien- und Angehörigenkreis, sondern auch der Freundes- und Bekanntenkreis denkbar hinreichend durchleuchtet worden. Auch da, beispielsweise aus der Sicht der Angehörigen, haben sich ja immer wieder Hinweise ergeben, es könnte vielleicht der oder jener sein.

Sprecher:
Ein schwieriger und komplizierter Fall, und das in einem so kleinen Ort wie Lüttgenrode. Gibt es wirklich Mitwisser, die sich bis jetzt noch nicht geäußert haben? An einen unbekannten Täter wollen Freunde und Angehörige nicht glauben.

Baumbach:
Aber welcher Fremde findet den Weg bis zu dem Zimmer? Und weiß grundsätzlich, daß das Mädchen zu Hause ist, und weiß, daß es montags lange schläft? Also kann's doch nur wirklich jemand sein, und da muß ich wirklich noch mal sagen, da glaube ich unbedingt der Kriminalpolizei, daß es nur ein Mensch sein kann, der die Umgangsformen von Heike kennt. Der weiß: Wann hat sie frei, wo schläft sie, wo ist sie? Und geht konstruktiv da hin. Alles andere, das wäre ein Zufall, das gibt's nicht, das kann ich mir nicht vorstellen.

Sprecher:
Die Leere, die Heike bei denen, die sie liebten, hinterlassen hat, ist nicht zu füllen. Um so sehnlicher ist der Wunsch, den Mörder endlich zu finden, endlich Gewißheit zu haben.

Profilerin Behrendt:
Daß der Täter Heike mit 'nem gewissen Vorsatz, mit 'nem gewissen Plan aufgesucht hat, haben wir aus der Situation geschlossen, die sich dort vor Ort geboten hat. Aus der möglichen Tatzeit, aus der Situation in ihrem Zimmer, also daß dort 'ne Auseinandersetzung stattgefunden hat, und er hat ja zielgerichtet sie aufgesucht, um mit ihr irgend'n Problem zu klären. Und da gehen wir schon mit hoher Wahrscheinlichkeit davon aus, daß er also mit diesem Plan, mit Heike irgendwas zu bereden, irgendwas aus der Welt zu schaffen, sie dort aufgesucht hat.

Sprecher:
Die ungeklärten Fragen nach Motiv und Mörder lassen Freunde, Familie und Ermittler nicht zur Ruhe kommen. Warum aber wußte niemand von Heikes Problemen? Warum hat niemand etwas geahnt?

Knut Petsche, Profiler LKA Sachsen-Anhalt:
Wir meinen, aufgrund auch ziemlich chaotischer Umstände am Tatort, daß der Täter sehr gestreßt war und daß der Täter möglicherweise also hier in eine Situation geraten ist oder sich selber hineinmanövriert hat, aus die er kaum noch rausgekommen ist und deshalb auch unter diesem Streß Handlungen begangen hat am Opfer, die eigentlich gar nicht geplant waren.

Sprecher:
Vieles deutet darauf hin, daß der Täter nicht mit einer Tötungsabsicht kam. Gab es einen Streit, der eskalierte? Was geschah in Heikes Zimmer? Und immer wieder stellt sich die Frage: Warum wurde das junge, schüchterne Mädchen so grausam hingerichtet? Konnte wirklich jemand sie so gehaßt haben? Was war mit Heike Rimbach? Was konnte den Täter dazu gebracht haben, ihr so etwas Grauenvolles anzutun?

2. Sprecher:
Unter großer Anteilnahme der Nachbarn und Freunde wird Heike beigesetzt. Ist der Täter unter den Trauergästen, die von Beamten in Zivil diskret beobachtet werden? Auch die Justiz hat diesen dringenden Verdacht, kommt aber trotzdem nicht weiter.

Windweh:
Dieser Fall zeigt auch deutlich, daß in so einem kleinen Kreis auch mit Härte geschwiegen wird. Und deswegen denke ich auch nicht so sehr an die unmittelbar Tatbeteiligten, sondern auch an das dörfliche Umfeld. Es sagt keiner was, es hat keiner was gesagt, aber irgendwie denke ich auch: Gibt es da Ansätze? Vielleicht kommt das noch mal auf uns zu ...

Sprecher:
Gibt es in Lüttgenrode eine Mauer des Schweigens, die von den Fahndern bis heute nicht eingerissen werden konnte?

Frau Rimbach:
Wenn Polizei kommt, dann ist es aus. Dann hat keiner mehr ein Wort gesagt, da hat keiner was gesehen, obwohl sie vorher alles wußten. Aber hinterher, wie es dann soweit war, mal was zu sagen - nichts mehr, totales Schweigen. Obwohl ich fest eigentlich der Meinung bin, daß da etliche bestimmt Antworten haben.

Sprecher:
Hat in Lüttgenrode in der Nacht zum 28. August ...


2. Sprecher:
Die neunzehnjährige Heike Rimbach wird am 29. August 1995 in der ehemaligen Scheune des heimischen Gutshofes grausam ermordet aufgefunden. Motiv und Täter geben den Spezialisten von der Polizei bis heute Rätsel auf. Viele Indizien sprechen dafür, daß der Täter aus Heikes nächstem Umfeld kommt. Doch jeder der Verdächtigen hat ein Alibi.

KK Götze:
Da es sich um einen alten Gutshof handelt, der auch noch teilweise landwirtschaftlich genutzt wurde, wo weitere Anwohner wohnhaft waren, wo auch Fahrzeugverkehr war, besteht die Möglichkeit, daß jemand etwas gehört haben kann. Schreie, Schläge auf Heike, daß jemand Personen gesehen haben kann, die sich unberechtigt oder auch berechtigt dort oben aufhielten. Daß Personen wahrgenommen worden sein können, die sich Zugang zum Wohnhaus Amt 93 verschafft haben. Daß Personen in weiterer Folge gesehen wurden, die möglicherweise Spuren an sich trugen.

Sprecher:
Auch die Justiz appelliert dringend an eventuelle Mitwisser, ihr Schweigen endlich zu brechen.

Windweh:
Derjenige, der etwas weiß und verheimlicht, der kann vielleicht bestraft werden, nicht? Immerhin, wenn man von Mord oder Totschlag weiß, ist man verpflichtet, aufklärend mitzuarbeiten.

Sprecher:
Jeder noch so kleine Hinweis, jede noch so unbedeutend scheinende Beobachtung kann helfen, den Mord an der neunzehnjährigen Heike Rimbach aufzuklären.

KK Götze:
Uns interessiert nach wie vor, welche Personen am 28.8.1995 und am 29.8.1995 kein konkretes Alibi haben. Vom Erfahrungswissen her können wir sagen, daß sehr häufig leichtfertig ein Alibi gegeben wird, da niemand einem ihm Bekannten, einem Freund oder Verwandten eine solch grausame Tat zumutet. Ein wichtiger Ermittlungsaspekt, der sich uns heute bietet, wären Angaben dazu, welche Personen vielleicht kurzzeitig ihren Arbeitsplatz verlassen haben, ihren gewohnten Umgangskreis verließen, nach einem gewissen Zeitraum unter Umständen mit anderer Kleidung wieder erschienen. Dies können wesentliche Ermittlungsaspekte sein, um den Mörder von Heike finden zu können.

Sprecher:
Die Hoffnung bleibt. Aber das Leid der Ungewißheit ist für Heikes Familie und Freunde unermeßlich.

Baumbach:
Wenn der Täter gefunden wird, ist mir das alles gleich. Aber ich glaube jetzt nicht mehr dran nach den Jahren. Aber vielleicht, wenn der Zufall es doch will, oder dank dieser Sendung. Daß sich das doch noch zum Guten wendet. Das würd' ich hoffen.

Frau Rimbach:
Das ist alles so unbegreiflich. Wie kann ein Mensch sowas anrichten und kann damit leben? Wie kann man mit sowas leben? Sowas anzurichten und legt sich jeden Abend ins Bett und schläft. Ich weiß es nicht. Ich kann's nicht.

Reinhard Fallak:
Heike Rimbach wurde am 29. August 1995 von ihrem eigenen Vater tot aufgefunden. Zwei Tage zuvor, es war der 27. August 1995, wurde sie zuletzt lebend in ihrem Elternhaus in Lüttgenrode gesehen. Die Fragen meiner Kollegen der Kripo Halberstadt richten sich insbesondere an Menschen, die Heike Rimbach kannten oder sich im Zeitraum zwischen dem 27. und 28. August 1995 in der Nähe des Tathauses aufgehalten haben. Natürlich sind in diesem Fall auch Hinweise von Menschen wichtig, die etwas über Heike Rimbach wissen. Die eventuell mitbekommen haben, daß Heike Probleme hatte, vielleicht hat sie sich auch jemand anvertraut. Die Kripo bittet dringend um Ihre Mithilfe. Wenden Sie sich an die Polizeidirektion Halberstadt oder jede andere Polizeidienststelle.

Ende der Sendung